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The clean solution

Panikmache nein – Aufklären ja

Interview mit Dr. Häcker, Landesfeuerwehrarzt Baden-Württemberg

Im Interview mit Dr. Andreas Häcker, seit 2016 Landesfeuerwehrarzt in Baden-Württemberg, sprechen wir über Einsatzhygiene, das Bewusstsein für Kontaminationsverschleppung und wirksame Maßnahmen zum Schutz von Einsatzkräften. Häcker ist seit 1988 hauptberuflich als Internist und Notfallmediziner tätig. Nebenberuflich leitet er den Ärztlichen Rettungsdienst am Regierungspräsidium Stuttgart. Zudem war er 20 Jahre Leitender Notarzt in den Landkreisen Böblingen und Ludwigsburg. Seit 2006 ist er Abteilungskommandant in Ditzingen.

1. Was sind Ihre Aufgaben als Landesfeuerwehrarzt? 

Die Tätigkeit übe ich ehrenamtlich beim Landesfeuerwehrverband aus. Der Verband ist ein beratendes Gremium für die Politik, die Kommunen aber auch für die Feuerwehren. Er setzt sich aus verschiedenen Fachgebieten mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten zusammen.

Meine Aufgabe ist die Leitung des Fachgebiets für Rettungswesen und Gesundheit. Für die Position braucht es eine Arztqualifikation, am besten auch eine Qualifikation bzw. Erfahrung in der Notfallmedizin. Zudem sollte man aktives Mitglied einer Feuerwehr sein, denn „Stallgeruch“ ist wichtig.

Meine Hauptaufgabe ist die Beratung des Verbandes sowie der Austausch mit dem Präsidenten oder dem Landesbranddirektor. Bei Feuerwehren oder auf Veranstaltungen halte ich Vorträge zu medizinischen Themen des Feuerwehrwesens.

2. Sie sind Internist und Feuerwehrmann und das schon seit vielen Jahren. Hat sich Ihr Bewusstsein für Einsatzhygiene im Laufe der Zeit gewandelt?

Ja, das hat aber neben den gemachten Einsatzerfahrungen auch persönliche Gründe. Ich bekam mit 49 eine Krebsdiagnose (Prostatakrebs). Die Krankheit gab es bis dato nicht in unserer Familie. Es bestand deshalb die Wahrscheinlichkeit, dass der Krebs durch meinen Dienst bei der Feuerwehr ausgelöst wurde. Ich bin seit 1979 Feuerwehrmann und war zum Zeitpunkt der Diagnose über drei Jahrzehnte bei zahlreichen Brandeinsätzen mit chemischen Schadstoffen in Kontakt. Zu diesen Zeiten war Hygiene im Brandeinsatz noch kein Thema.

Dagegen hatte sich die Hygiene in der Medizin schon lange etabliert, sie ist im OP oberstes Gebot. So erkannte Semmelweis bereits Mitte des 19. Jahrhunderts die Bedeutung des Händewaschens bei Geburtshelfern, er hatte dadurch einen Rückgang der Sterblichkeitsrate der Mütter festgestellt. Zu Lebzeiten wurde er nicht ernst genommen, musste sogar in die Irrenanstalt. Viel später hat man den Beweis erbracht, dass durch Händewaschen Bakterien eliminiert werden. Posthum wurde Semmelweis rehabilitiert. Ich sehe Parallelen zwischen der „biologischen“ Verunreinigung, den Semmelweis beschrieben hat, und der toxikologisch-chemischen Verunreinigung, wie sie bei Brandeinsätzen stattfindet.

Bei den 20-30-jährigen Feuerwehrangehörigen ist Händewaschen und Dekontamination zwischenzeitlich selbstverständlich. Viele Einsatzkräfte über 50 nehmen es zwar hin, sind aber oftmals nicht wirklich von der Notwendigkeit überzeugt. Es ist eben schwer, tief verankerte Verhaltensweisen zu verändern.

"Wir müssen verständlich erklären, wie Kontamination mit Schadstoffen, Ruß und Brandrauch von Statten geht und dabei helfen, Maßnahmen, die dem entgegenwirken, umzusetzen." 

3. Vor zwei Jahren wurde die Brandbekämpfung als krebsauslösend eingestuft, und zwar von der IARC, einer Organisation der WHO. Was hat diese internationale Klassifizierung für die Wahrnehmung bei Einsatzkräften, Politikern und Entscheidern in Deutschland bewirkt?

Bei den Unfallversicherungen ist es angekommen – auch schon vor der Einstufung durch die IARC. Die Versicherer hatten bereits davor erste Richtlinien für die Hygiene im Brandeinsatz festgeschrieben. Die IARC hält zwei Tumorarten für signifikant krebserregend und fünf im Zusammenhang mit Brandbekämpfung für wahrscheinlich krebserregend. Wahrscheinlichste Erklärung für dieses Phänomen ist der Kontakt mit verschiedenen Karzinogenen in Ruß und Brandrauch. Aus diesen Erkenntnissen leitet sich für die Einsatzkräfte und alle Verantwortlichen ein Handlungsbedarf ab: bestmöglich vor Kontaminationen mit Schadstoffen zu schützen.

Aber wir dürfen auch keine Panikmache betreiben. Es wäre fatal, wenn Einsatzkräfte – 98 Prozent von ihnen betreiben ihr Feuerwehrdasein als freiwilliges Hobby – denken, sie bekämen durch ihre Einsätze zwangsläufig Krebs. Es ist die Aufgabe der Verbände und der Politik zu sensibilisieren und Lösungen für die Problematik zu finden. Wir müssen verständlich erklären, wie Kontamination mit Schadstoffen, Ruß und Brandrauch von Statten geht und dabei helfen, Maßnahmen, die dem entgegenwirken, umzusetzen. Hinweisen ja – aber keine Panikmache!

Meine Heimatfeuerwehr hat seit 2018 ein festgeschriebenes Konzept, das von allen Kameradinnen und Kameraden umgesetzt wird. Wenn ich bei meinen Vorträgen darüber berichte, merke ich, wie schnell und unvoreingenommen das bei jungen Feuerwehrleuten aufgenommen wird – im Gegensatz zu vielen älteren Kameraden, leider.

"Wenn wir 80-90 Prozent der Verunreinigungen fernhalten und auf ein akzeptables Minimum reduzieren, dann ist schon sehr viel gewonnen."

4. Seit 30 Jahren haben wir durch Studien die Erkenntnis, dass Krebserkrankungen gehäuft bei Einsatzkräften auftreten. Wie sehen Sie das Bewusstsein unter Feuerwehrleuten in Deutschland? Gibt es Unterschiede zwischen Angehörigen der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr? 

Bei der Berufsfeuerwehr fehlt mir der Einblick. Ich habe privat einige Kontakte und sehe eher eine schlechtere Akzeptanz unter Berufsfeuerwehrleuten. Fahren die pro Tag, z. B. in Stuttgart, zehn Einsätze und sind viermal im Brandeinsatz, bedeutet das auch viermal umziehen. Da denken sich viele: “Ich muss in zehn Minuten eh wieder in einen Brand.“ Es ist schon umständlich, sich jedes Mal zu duschen und mit frischer Kleidung auszustatten. Bei der Berufsfeuerwehr ist das Befolgen der Hygieneregeln demnach lästiger und mit mehr Aufwand verbunden. Das kumulative Risiko dort ist größer als bei der Freiwilligen Feuerwehr, weil Einsatzkräfte häufiger mit Brandrückständen, Ruß und Rauch in Berührung kommen und die Wahrscheinlichkeit der Verschleppung somit auch größer ist.

Ich habe einmal ein Experiment gemacht und im Innenraum unseres relativ neuen Drehleiterfahrzeugs mit einem Feuchttuch die Sonnenblende abgewischt. Das Tuch war anschließend stark verunreinigt. Auch wenn im Einsatz kein Rauch im Fahrzeug zu sehen ist, der Brandgeruch ist da und die Schadstoffe schlagen sich dann in der Mannschaftskabine als dünner, schmierig brauner Belag nieder – wie am Sonnenschutz der Windschutzscheibe sind diese giftigen Beläge auch an jedem Handgriff im Fahrzeug vorhanden. Wertvolle Tipps zur Hygiene im Brandeinsatz enthält die DGUV Information “Hygiene und Kontaminationsvermeidung bei der Feuerwehr“. Dort findet sich im Anhang 3 auch meine Aufstellung mit Empfehlungen, was vor, im und nach einem Brandeinsatz zu beachten ist.

Es gibt meist einen initialen Anlass für eine Tumorentstehung, das ist besonders häufig bei Kontamination mit asbesthaltigen Stoffen. Andererseits gibt es eine kumulative Ansammlung von Gefahrstoffen im Körper: Gefahrstoffe sammeln sich über Jahre hinweg im Köper an, irgendwann legt sich der Schalter um und das System kippt. Dieses Phänomen ist nach der WHO-Studie nicht nur bei Angehörigen der Berufsfeuerwehren zu beobachten, sondern kann bei allen Einsatzkräften auftreten, die in der Brandbekämpfung eingesetzt werden.

Wichtig ist, mit gesundem Menschenverstand zu agieren und nicht alles zu perfekt machen zu wollen. Wenn wir 80-90 Prozent der Verunreinigungen fernhalten und auf ein akzeptables Minimum reduzieren, dann ist schon sehr viel gewonnen. Es geht darum, die Schadstoffbelastung zu minimieren, ganz vermeiden können (und brauchen) wir sie nicht. 

Und es braucht Aufklärung. Es sind eben nicht vordergründig die Atemwege, die bei Einsatzkräften betroffen sind. Das große Einfallstor für Schadstoffe ist unsere Haut. Trotz Persönlicher Schutzausrüstung sind vor allem Kopf, Nacken, Hände und der Genitalbereich beim Brandeinsatz gefährdet. Das sind die Körperstellen, an denen die Haut am aufnahmefreudigsten ist. Die Schutzkleidung ist zwar hitzeabweisend, aber nicht schadstoffabweisend. Einsatzkräfte müssen hier proaktiv handeln und sich zusätzlich schützen.

Ein neues Produkt hilft ihnen dabei, pak-ex. Die Reinigungspaste funktioniert nach dem Prinzip der Adsorption: Stoffe werden an eine Substanz gebunden, bevor sie die natürliche Schutzbarriere der Haut überwinden. Das heißt Schadstoffe wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) oder Ruß, die an der Haut haften, werden hautschonend zu 95 Prozent entfernt. Das ist das, was die Feuerwehrangehörigen brauchen, vor allem unmittelbar nach einem Brandeinsatz.